27 März 2018

Allzeit gute Fahrt

Am ersten März beginnt wieder die Zweiradsaison. Für die anderen, nicht für mich, denn ich fahre auch im Winter. Wenn der Frühling kommt, steigen nicht nur die Säfte in den Bäumen, sondern auch die Hormone in uns Menschen und für manche von uns wird das zu einer tödlichen Gefahr. Ich erinnere mich, wie ich am 19. Juni 2010 auf der A24 unterwegs war. Für einige Sekunden zeigte der Tacho auf meiner ZZR 1400 dreihundert Kilometer pro Stunde. Es war morgens um 6:03. Hätte in diesem Moment auch nur das winzigste Teil an der Maschine versagt, wäre ich dort gestorben.
Die Erinnerung an diese Sekunden wird mir ein Leben lang bleiben. Es war nicht die Geschwindigkeit, es war auch kein Rausch. Es war etwas, das ich eher als spirituelle Erfahrung bezeichnen würde, das kommt dem noch am nächsten. Und ich werde sie niemals wiederholen.
Auch wenn es sich metaphysisch anhört – wenn du einer solchen Maschine, mit all ihrer ungeheuren Kraft, deinen Willen aufzwingen willst, wird sie dich irgendwann umbringen. Ich bin seit 41 Jahren Biker, und für mich hat jede Maschine so etwas wie eine Seele. Sie steckt im Fahrtwind, im Brummen des Motors, in jedem Nicken, mit dem sie willig die Unebenheiten schluckt und in vielen anderen Kleinigkeiten. Du kannst sie fühlen. Wenn du es willst.
Es geht nicht darum, die Maschine zu beherrschen, sondern dich selbst. Wenn du das verstanden hast, bist du ein Biker. Wenn nicht, ein Todeskandidat.

Gute Fahrt euch allen!

3 Januar 2018

Wie man wahrscheinlich ein gutes Buch schreibt

Ich glaube, Einstein war es, der gesagt hat: „Genie ist neunzig Prozent Fleiß und zehn Prozent Talent.“ Das passt ganz gut zu nicht nur meiner Meinung, dass Schreiben ein Handwerk ist und das jeder dieses Handwerk lernen kann. Das Schreiben von Texten und von Büchern folgt Regeln und dabei sind Orthographie und Grammatik nur die Grundlagen. Ich denke, dass es viel mit Selbstehrlichkeit zu tun hat. Auch wenn ich dafür jetzt Prügel bekomme – niemand, wirklich niemand – schreibt ein ganzes Buch nur für sich selbst. Wenn dem so wäre, warum sollte er es dann veröffentlichen? Bücher werden geschrieben, damit andere Menschen sie lesen.
Etwas ganz anderes ist die Frage, warum der Autor möchte, dass andere seine Texte lesen. Die Antwort darauf hat etwas mit Selbstehrlichkeit zu tun, die nach meiner Erfahrung bei den meisten Neuautoren nicht sehr ausgeprägt ist, vorsichtig formuliert. Geld verdienen? Anerkennung und Bewunderung einheimsen? Anderen etwas mitteilen wollen? Wohlgemerkt, ich rede nicht von den Gründen, ein Buch zu schreiben, sondern von den Gründen, aus denen ein Autor sich entschließt, es zu veröffentlichen.
Leser beurteilen, oftmals ohne es selbst zu wissen, ob das Buch gängigen Standards, also den o.g. handwerklichen Regeln entspricht. Sie können es nicht so formulieren, sondern für sie ist die Frage: Liest es sich gut? Sie interessiert nicht, ob der Autor der Welt etwas beweisen will, ihr etwas mitzuteilen hat, seine schwierige Kindheit für alle sichtbar aufarbeiten will, Geld verdienen will oder allen zeigen will, was er für ein toller Hecht ist. Den Leser interessiert nur eins – er will gut unterhalten werden.
Genau diesem Anspruch muss sich jedes Buch und damit auch jeder Autor stellen. Genau das ist aber etwas, was wiederum viele Neuautoren nicht die Bohne interessiert. Denn um gute Unterhaltung für den Leser zu schreiben, muss man verdammt hart arbeiten und sein Handwerk beherrschen.
Nur einige Punkte daraus:
– Zielgruppenkenntnis;
– starke/schwache Verben;
– aktiv/passiv;
– indirekte Wahrnehmung;
– Erzählperspektive, Handlungsperspektive;
– show, don’t tell;
– Umgang mit Adjektiven und Adverbien;
– Dialogauszeichnungen;
– Blähwörter und Abschwächer;
– Gleichzeitigkeitsanzeiger;
– lange und Schachtelsätze.
Das sind nur einige wenige Stichpunkte aus einem Handwerkskatalog, nämlich dem des Schreibens. Sie alle kann man lernen, es braucht halt nur viel Zeit, Kraft und Ausdauer. Man muss es nicht tun, wenn man Bücher nur für sich selbst schreibt. Man muss auch nicht lernen, mit Kritik umzugehen, wenn man nur für sich schreibt. Wenn man jedoch Texte veröffentlicht, werden auch Meinungen kommen und diese Meinungen treffen umso härter, je mehr sie von dem abweichen, was der Autor selbst über seinen Text denkt und damit sind wir wieder bei dem Punkt „Selbstehrlichkeit“.
Immer dann, wenn ich bei einer Textstelle Bauchgrummeln hatte, aber dachte, das geht schon so, hat meine Frau an genau der Stelle beim Vorlesen die Stirn kraus gezogen. Wenn ein Leser oder ein Rezensent sagt: „Das gefällt mir nicht.“, dann ist das so, da hilft auch kein Diskutieren. Ein Buch oder ein Text, den man hinterher erklären muss, ist Schrott. Denn wenn jemand ein Buch liest, erwartet er, dass am Ende alle Fragen geklärt sind. Genau das ist die Aufgabe des Autors.
Deswegen, unter anderem, gibt es in Verlagen Lektoren. Das sind keine Leute, die die Rechtschreibung kontrollieren, das tun sie nur nebenbei. Es sind Konzeptkontrolleure, die schauen, ob das Buch zur Zielgruppe passt, ob der Spannungsbogen stimmt, ob die Cliffhänger sitzen, ob rechtliche Sachen eingehalten wurden und, und, und ….
Dem Leser ist es egal, ob das Buch aus einem Verlag kommt und lektoriert wurde. Aber er erwartet die handwerkliche Qualität aus einem Verlag. Diesem Problem muss sich der Selfpublisher stellen und leider sind sich viele dessen überhaupt nicht bewusst. Sie erwarten einfach für die Tatsache, ein Buch geschrieben zu haben, in den Himmel gelobt zu werden.
Ein Buch schreiben kann jeder Idiot, dazu muss er nur Buchstaben und Satzzeichen in ausreichender Menge aneinanderfügen und es anschließend bei Amazon hochladen. Genau das tun auch viele.
Ein gutes Buch zu schreiben, bedeutet, nicht nur an sich zu denken, sondern an die, für die dieses Buch geschrieben ist, an die Leser. Was wollen sie, wie wollen sie es. Das ist verdammt harte Arbeit, es ist Lernen ohne Ende, ist Heulen, Verzweifeln, Schreien, Fluchen. Es ist aber auch pures Glück, wenn die Szene endlich stimmt, ist Tränen in den Augen, wenn endlich etwas herauskommt, von dem du sagst: „Gott, ist das gut. Das habe ich geschrieben?“, und kein innerer Schweinehund ist anderer Ansicht.
Ganz lange Rede, jetzt kommt der Sinn: Es ist deine Entscheidung, ob du an dieser Stelle aufgeben willst. Willst du kämpfen, bedeutet es, verdammt hart zu arbeiten, mit Kritik leben zu lernen, deine Lieblinge zu töten und nachts nicht schlafen zu können, weil da irgendetwas in deinem Text nicht stimmt und dir nicht einfällt, warum.
Niemand wird als guter Autor geboren, jedes gute Buch ist das Ergebnis eines langen schriftstellerischen Leidensweges, an dessen Ende der Preis nicht das Lob anderer ist und nicht das verdiente Geld. Es ist Stolz auf eine Leistung, die nur du vollbracht hast und die dir niemand nehmen kann: Du hast ein gutes Buch geschrieben.